Die Tagesschau der ARD mach Werbung für die Einsprachen gegen Google Streetview. Die Meinungshoheit über deutsche Wohnzimmer haben die Kommuniquéverleser aus Hamburg zwar schon längst verloren, aber diese letzten Rückzugsgefechte werden wohl noch ein paar Jahre nerven.
Deutschland, 20 Uhr. Die Tagesschau drängt die Zuschauer mit dem Stilmittel der 4-Wochen-Frist Urgency1 endlich beim Internet-Content-Anbieter Google gegen eine seiner Dienstleistungen Einspruch einzulegen. Natürlich werden Verbraucherschützer2 mit der Aussage zitiert, sie die Frist sei zu kurz.
Als Kronzeuge für die Schändlichkeit Googles wird dem Zuschauer Heinz Pilzweger, Besitzer eines Mehrfamilienhauses, vorgestellt. Er will nicht, dass jemand von einer öffentlichen Straße aus fotografiert und das Bild, auf dem auch sein Haus zu sehen ist, ins Internet stellt.
"Es geht im Wesentlichen darum, dass ein Konzern Geschäfte macht mit dem Eigentum anderer."
- Heinz Pilzwenger, Mehrfamilienhausbesitzer und Geschäftsführer des Grundeigentümervereins Bergedorf
Da ist er, der sozialdemokratische Mainstream, der bleiern über Deutschland liegt, diese Wirtschaftsfeindlichkeit des Bürgertums. Was bitte soll ein Konzern sonst tun, wenn nicht Gewinne? Auch die Missgunst ist entlarvend: Als Besitzer eines Mehrfamilienhauses kann er mit seinem Besitz leider keine Zusätzlichen Einnahmen generieren, in dem er Bilder davon weltweit verbreitet.
Aber Google kann das. Gönnen, das können wir Deutsche nicht.
Aber mal nüchtern analysiert: von den vielen Angeboten von Google, die den Nutzern kostenfrei zur Verfügung gestellt werden, ist Google Maps sehr zurückhaltend mit Werbung. Im Gegenteil: kreative Kleingewerbetreibende können Google Maps kostenfrei dazu nutzen für sich zu werben.
Google Streetview hingegen, das ein Gadget von Google Maps ist, ist frei von Werbung die sich Google bezahlen lässt. Einzig im öffentlichen Raum sichtbare Werbung erreicht durch Google Streetview eine höhere Reichweite.
Google ist ein Konzern, dass hat unser Mehrfamilienhausbesitzer richtig erkannt. Und Konzerne sind keine philantropischen Altherrengesellschaften. Google hat neben erfolgreichen gebührenfreien Anwendungen auch erfolgreiche Geschäftsmodelle entwickelt. Aber im Gegensaztz zu anderen bietet Google Dienstleistungen gebührenfrei an, ohne die unsere Gesellschaft und die Unternehmen in denen die Bürger dieser Gesellschaft arbeiten, schon lange nicht mehr funktionieren würde.
Der fast unverfrohrene Aufruf der Tagesschau und der ARD zum Widerspruch gegen Google Streetview ist natürlich in deren Interesse: In der Altersgruppe der 20 bis 30 Jährigen hat das Internet schon lange den Fernseher als Unterhaltungs- und Informationsmedium Nummer 1 überholt. Es ist natürlich im Interesse der ARD, die auf Kosten von Menschen lebt, die die Angebote der ARD gar nicht nutzen, genau jenen Menschen den Nutzen des Internets, das weitgehend gebührenfrei3 zur Verfügung steht, zu vermindern.
Wer nicht möchte, dass sein Eigentum vom öffentlichen Raum aus fotografiert wird, der soll sein Haus nicht an eine öffentliche Straße bauen und sein Auto in seine Garage stellen.
Der Widerstand vieler Deutscher Städter - denn Streetview wird es in Deutschland nur für einige Großstädte geben - könnte aber für eben diese Städte einen erheblichen Schaden bedeuten.
Warum sollte ein Tourist, der auf Google Streetview von Köln nur den Dom und den Strassenbelag sieht, ausgerechnet hier seinen Urlaub verbringen? Oder was wird ein Spanischer Investor von Berlin halten, dass bei Google wie im Nebel aussieht? Weltoffen und einladend sieht das für mich nicht aus.
Anmerkungen
1 Urgency erzeugen; Marketing-Denglisch für Zeitdruck aufbauen
2 Wer sind eigentlich diese Verbraucherschützer? Und wovor schützen sie uns? Etwa vor der Dienstleistung Google Streetview, mit der ich mir Städte aus der Perspektive eines Autofahrers ansehen kann, die ich nicht selbst besuchen kann. Tolle Wurst!
3 Jaja, natürlich verursacht Internet auch kosten für den Endkonsumenten. Dies sind aber in erster Linie Zugangskosten.
Quellen:
- ARD: Tagschau 21192, 17. August 2010
- maps.google.de, Heimat des gelben Männchens von Streetview
- Jule Monika Witt: "Google Streetview: Montag startet Widerspruchsfrist", auf Bergedorfer Zeitung online - 12. August 2010
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