Ein Amtsinhaber und ein Herausforderer stellen sich zur Wahl zum Präsidenten ihres Landes. Das gibt es öfters. Dann ist der Ausgang der Wahl jedoch nicht ganz klar und die Gerichte des Landes müssen entscheiden, wer die Wahl gewonnen hat. Das kommt seltener vor. In der jüngeren Vergangenheit aber gleich zwei Mal - mit jedoch ganz unterschiedlichem Ausgang
Das erste Beispiel dürfte vielen noch in Erinnerung sein: Bei den Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten 2000 [Wikipedia] erreichte der Herausforderer Al Gore wahrscheinlich eine halbe Million Stimmen mehr, wie der Amtsinhaber George W. Bush.
US-Amerikanische Gerichte mit Richtern, die dem Amtsinhaber nahe standen, entschieden darauf hin, dass entgegen der Mehrheit für den Herausforderer der Amtsinhaber gewonnen hat. Herausforderer anerkennt das Urteil. Amtsinhaber bleibt für weitere vier Jahre im Amt und seine Regierung wird international anerkannt.
Ouattara 2008 cc von bbcworldservice |
Das zweite Beispiel ist hingegen wohl eher einer international-interessierten Minderheit geläufig: Bei Präsidentschaftswahlen in der Elfenbeinküste 2010 [Wikipedia] gewann der Amtsinhaber Laurent Gbagbo vom Front Populaire Ivoirien (FPI) mit 38,04 % der Stimmen den 1. Wahlgang klar vor seinem wichtigsten Herausforderer Alassane Ouattara vom Rassemblement des Républicains (RDR) 32,07 %. Ein dritter Kandidat, Henri Konan Bédié von der Parti Démocratique de Côte d’Ivoire (PDCI) erreichte 25,24 %.
Gbagbo vor der UNO 2009 cc von United Nations Photo |
Und jetzt wird es afrikanisch-kompliziert: Die im ersten Wahlgang zweit- und drittplazierten verbünden sich für den zweiten Wahlgang. So erreicht der antretende Alassane Ouattara 54,1% der Stimmen und "gewinnt die Wahl. So sieht es jedenfalls die Wahlkommission, von deren 26 Mitgliedern 20 Anhänger Ouattaras sind. Gbagbo rief den Verfassungsrat an. Dieser ist mit seinen Vertrauten besetzt und er annullierte das Ergebnis in drei nördlichen Provinzen. Wir erinnern uns: In den USA hatten Gerichte mit Bush-freundlichen Richtern Ergebnisse in Florida ebenfalls nicht anerkannt.
"Als Bush durch einen Richterspruch seine zweite Amtszeit antreten konnte, schwieg die Weltöffentlichkeit. Wenn Gbagbo durch ein Verdikt des Verfassungsrates die Wiederwahl gewinnt, treiben UNO und EU den Westafrikanischen Staat in einen Bürgerkrieg."
Die Elfenbeinküste spaltet die Frage, wer eigentlich Ivoirier (oder Ivorer) ist und somit das aktive und passive Wahlrecht besitzt. Im Norden leben viele Burkinabé (Leute aus Burkina Faso), teilweise schon seit Jahrzehnten. Ouatara, nach ursprünglicher Lesart Gbagbos selber Burkinabé, hat gestützt auf diese Hausmacht die Wahl gewonnen. Anhänger Gbagbos seien laut Verfassungsrat an der Wahl gehindert worden.
Man kann jetzt die Demokratischen Traditionen der Elfenbeinküste bewerten, wie man will. Nur: Ein Land hat das Recht sein Schicksal selbst zu bestimmen. Ob Ausländer an Wahlen teilnehmen dürfen, ob ein Machthaber Einfluss auf die Besetzung von Verfassungsorganen haben soll, so wie deutsche Parteien die Richter unserer "unabhängigen" Gerichte bestimmen, ist alleine die Sache der Einwohner eines Landes.
"Disons-le clairement : l'ONU n'a pas à décider qui est élu et qui ne l'est pas à la tête d'un pays (le cas ivoirien compte peu en l'occurrence). Le faisant, elle outrepasse ses droits, ce qui lui arrive de plus en plus. Au point que derrière le langage feutré de ses diplomates, on distingue des bruits de bottes coloniales."
("Sagen wir es deutlich: Die UNO hat nicht zu entscheiden, wer gewählt ist und wer nicht an der Spitze eines Landes sei (der Fall Elfenbeinküste zähl wenig in diesem Zusammenhang). Dabei überschreitet sie ihre Kompetenzen, was ihr immer häufiger passiert. Dass geht soweit, dass man hinter der gedämpften Sprache seiner Diplomaten [wieder] den Lärm der kollonialen Stiefel hört.")
– Tierno Monénembo, 4. Januar 2011 auf leMonde.fr
Die UNO hat die Aufgabe bewaffnete Konflikte zu verhindern. Hier treibt sie aber ein Land in den Bürgerkrieg. Man stelle sich nur mal vor, die UNO hätte Bushs "Wahlsieg" zu seiner zweiten Amtszeit nicht anerkannt und stattdessen Blauhelme geschickt, oder die Schweiz - zweifellos freiheitlicher und demokratischer wie Deutschland - würde bei uns nach einer Wahl einmarschieren, nur weil unser Wahlsystem und die Bürgerbeteiligung hierzulande nicht ihren höheren Ansprüchen genügt.
Übrigens macht nicht nur die GEZ-finanzierte deutsche ARD mit häufigen Rechtsverletzungen auf sich aufmerksam, auch die BILAG-finanzierte Schweizer Fernsehen SRG kann das.
"Verstehe ich das richtig? Das Schweizer Staatsfernsehen hat einen gewalttätigen Mob in die Vertretung eines fremden Landes in der Schweiz begleitet, jenen bei Vandalenakten gefilmt und diesen Film dann veröffentlicht? Mir stehen die Haare zu Berge."
– M. Pestalozzi, Zürich, Kommentar zu einem Tagesschaubericht der SRG verfasst am: 29.12.2010 18:28
Eine weitere nette Fußnote: Der französische Präsident Nicolas Sarkozy war der Standesbeamte bei der Hochzeit von Alassane Ouattara, die seither Kontakt pflegen. Frankreich, in Afrikafragen innerhalb der EU ja immer noch treibende Kraft mit einer eigenen Agenda.
- taz: "Nach Wahl in der Elfenbeinküste: UNO erkennt Ouattaras Sieg an", taz.de, 24. Dezember 2010
- WZ Online: "Gbagbo mobilisiert seine Anhängerschaft gegen "französisch-amerikanisches Komplott" - Generalstreik in Elfenbeinküste blieb aus", WienerZeitung.at, 27. Dezember 2010 15:16
- David Böcking: "Machtkampf in der Elfenbeinküste Afrikas Demokratiepolizei", ftd.de, 27. Dezember 2010, 15:44
- Jens Hettmann, Friedrich-Ebert-Stiftung: über die politische Lage an der Elfenbeinküste (Audio), auf: Deutschlandfunk, 28. Dezember 2010 14:52 Uhr, Dauer: 10'38
- Tagesschau (agenturen/blur): "Ivorisches Konsulat in Genf überfallen" SF Schweizer Fernsehen, 29. Dezember 2010 - 15:00 Uhr
- Tierno Monénembo: "L'ONU recolonise l'Afrique", leMonde.fr, 4. Januar 2011
- jW: "Schlichtungsversuch Nummer: zwei Afrikanische Politiker erneut in Côte d’Ivoire. Rechtsanwälte fordern Neuauszählung der Stimmen", junge Welt, 4. Januar 2011
- nanita: "Evacuation des partisans de Ouattara de la maison du PDCI, un mort et des blessés", Koaci.com, 5. Januar 2011 - 02:04 Uhr
- AFP: "Elfenbeinküste: Gbagbo lehnt Machtteilung ab", Zeit Online, 11. Januar 2011 - 15:37 Uhr
- Dominic Johnson: "Krise in der Elfenbeinküste: Nach der Schlacht von Abobo", taz, 13. Januar 2011
4 Kommentare:
Lieber FMW, endlich mal eine gut recherchierte und gut begründete Aussage zu den Verhältnissen in der Elfenbeinküste! Kurz, knackig, verständlich - das schaffen die meisten Medien mit 10 Berichten nicht, sie schaffen nur Verwirrung mit ihren Halbwahrheiten und Agenturmeldungen!DANKE - sie sprechen vielen Menschen, die die Elfenbeinküste und die Situation kennen aus dem Herzen!
Vielen Dank für die Blumen. Ich will ja gar nicht Stellung für irgend jemanden beziehen. Mir ist es aber ein Anliegen auf zu zeigen, wem die "unabhängigen Medien" verpflichtet sind und wessen Lied sie singen. Ich werde auf jeden Fall am Thema dran bleiben. 19 Mio Ivoiresen haben keine Lust auf einen Bürgerkrieg.
Ein Land entscheiden zu lassen heißt doch im besten Fall die Bev. entscheiden zu lassen, oder? Gut diese hat entschieden, Gbagbo ist abgewählt! Da wird häufig was verwechselt (wie auch meistens das Recht des Staates oder des Regimes gemeint ist, wenn jemand "Völkerrecht" sagt).
Übrigens heißt es "Ivorer".
Der Verweis auf die Wahlen in den USA taugt nicht als Mittel zur Legitimierung des Machterhalts Gbagbos (der übrigens lange Zeit Mitglied der frz. Sozialisten war und bis vor kurzem über den besseren Draht nach Paris verfügte als Ouattara - das ist Ihnen entgangen, Outtara war immer der Mann der Amis). Er ist jedoch interessant, zeigt es doch ein weiteres Mal, dass auch die Demokratisierung in westlichen Ländern bei weitem nicht abgeschlossen ist.
Auch das ökonomische Interesse Frankreichs existiert in der Stärke, wie es von Gbagbo-Verteidigern dieser Tage immer wieder benannt wird. Das ändert nichts daran, dass Frankreich in diesem Konflikt (jetzt endlich) auf der richtigen Seite steht (das war 2002 noch anders).
Zu behaupten, UNO und Frankreich trieben di CI in einen Bürgerkrieg, ist ebenfalls eine verkürzte Sichtweise. Erstmal haben sie den BK beendet und Gbagbo gerettet (ein Fehler, wie man heute weiß).
Das Argument, ein Land müsse wissen wie es mit seinen Ausländern und Minderheiten umgeht, ist gerade aus deutscher Sicht zynisch.
Ich verstehe viele Argumente und Vergleiche der Gbagbo-Verteidiger, die allermeisten passen jedoch nicht, sind nutzlos und stützen lediglich Verbrecher und Rassisten. In Westafrika gibt es mehr Rassismus als bei uns, bzw. er ist schneller mobilisierbar. Denkt daran, wenn ihr nur mit Südivorern redet: Deren Sicht ist einseitig, so einseitig, dass sie tatsächlich nicht glauben können, in IHREM Land eine Wahl verloren zu haben. Die Einseitigkeit übernehmt ihr, weil ihr diese Menschen mögt . was kein Fehler ist! - stellt euch einfach vor, wie wahrscheinlich es im europäischen Mittelalter war, dass jemand Moslem wird: eben, unmöglich. Das ist hier auch so, Menschen übersehen, dass ihre Position radikal ist, dass andere Menschen andere radikale Positionen haben usw. Ihr kennt so etwas nicht und glaubt daher, das südivorische Meinungen augewogener wären, als sie es tats. sind - im Norden übrigens genauso. Um diese radik. Meinungen und Strömungen zu kanalisieren und die Mehrheit festzustellen, gibt es Wahlen. Diese müssen dann eben respektiert werden (wobei die Verlierer immer geschützt bleiben müssen). Und Gbagbo hat eben verloren!
Grüße und möge er bald gehen.
Daniel Preissler
Wenn ich richtig verstanden habe ist die Wahlkommission dazu da die Wahlergebnisse zu verkünden. Demnach müsste Ouattara zum Präsidenten ernannt werden.
Der Verfassungsrat hat aber die Wahlergebnisse geprüft und festgestellt dass die Wahlergebnisse aus einigen Gebieten nicht gewertet werden können, weil dort keine freien und fairen Wahlen stattfanden. Morde, Gewalt, Einschüchterungen, fast 100% Ergebnisse, ...
Wer bitte kann solche Ergebnisse akzeptieren?
Nach Abzug der Stimmen dieser Wahlbezirke hat nun Gbagbo wieder die Mehrheit.
Damit ist vorerst Gbagbo rechtmäßiger Präsident der Elfenbeinküste.
Sicher, Frankreich und die internationale Staatengemeinschaft, die gar keine Wahlbeobachter in die nördlichen Gebiete schickten, akzeptieren Ergebnisse, die unter Gewalt, Morden und Einschüchterung zustande gekommen sind.
Ich übernehme hier keine "Einseitigkeit" von Südivorern, denn ich habe überhaupt gar keine Beziehung zur Elfenbeinküste, ausser dass ich bisher einmal in Abidjan zwischengelandet bin, das Land aus dem Bullauge eines Flugzeugs gesehen habe und äusserst selten Schokolade esse.
Wer die Presse schnell überfliegt bekommt den Eindruck, dass Gbagbo ein despotischer Undemokrat ist der sich geisteskrank an der Macht festklammert.
Wer genauer liest bemerkt schnell, dass die ganze Sache gottserbärmlich zum Himmel stinkt.
Es geht nicht um Gbagbos Ego, sondern um die Freiheit und Unabhängigkeit der Elfenbeinküste.
Unerträglich ist, dass Uno und Frankreich einen gescheiterten** Präsidentschaftskandidaten stützen, dessen Banden mordend und plündernd durchs Land ziehen. Und auch hier werden alle Augen nebst Hühneraugen zugedrückt, denn es geht um wirtschaftliche Interessen die mit einem alten Houphouët-Boigny-Kader besser umgesetzt werden als mit einem unbequemen Gbagbo.
Anfangs habe ich nicht verstanden, weshalb meine afrikanischen Bekannten und Freunde (leider keine Ivorer dabei) Sympathien für Gbagbo haben. Ich habe mich auch nicht dafür interessiert.
Der unfaire Ablauf der Wahlen im Norden und die Massaker die aktuell stattfinden zeigen, dass es für das nächste Jahrzehnt keine freien demokratischen Wahlen mehr geben wird genauso keinen fairen Handel, sofern sich Frankreich mit Ouattara durchsetzen wird.
Das macht die "Starrköpfigkeit" Gbagbos verständlich.
** gescheiterter Präsidentschaftskanditat ist Ouattara deshalb, weil er seinen Machtanspruch auf Wahlergebissen begründet, die unter undemokratischen Bedingungen zustande gekommen sind und vom Verfassungsrat annuliert wurden.
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