Sonntag, 16. Januar 2011

Homophobie und Westerwelle

Fritz J. Raddatz, Literaturkritiker und schwuler Mann, glaubt, dass der FDP-Chef Guido Westerwelle darum von vielen angefeindet wird, weil er offen schwul lebt. Dies nötigte WAZ-Chefredaktor Ulrich Reitz zum Widerspruch in seinem Blatt. Doch zurecht?


Quelle: Wikimedia
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„Nur erfolgreichen Homosexuellen verzeiht der deutsche Spießer ihre Neigung…“, so habe sich Fritz J. Raddatz diese Woche im Focus geäußert. Einer These, der ich grundweg widerspreche. Auch erfolgreichen Homosexuellen verzeiht man nicht. Schwule dürfen frisieren, im Fernsehen den Clown geben, aber sonst nichts. Auch ein erfolgreicher Vizekanzler ist für viele Deutsche in erster Linie eines: eine schrille, eitle Tucke.

Doch wagt es einer wie Raddatz, Deutschland den Spiegel vor zuhalten, damit es sieht, wie selbstgerecht homophob es immer noch ist, provoziert er Widerspruch. Dieser Widerspruch des links-grünen Mainstream ist dann auch folgerichtig in unterschiedlichem Maße von homophoben Topoi durchzogen.
„Es ist Westerwelles lautes, demon­stratives Marketing-getriebenes Auftreten. Dadurch verletzt er über Parteigrenzen hinweg bürgerliches Stilempfinden. Dadurch hat er sich über die Jahre verbraucht. Fazit: Nicht Westerwelles Schwulsein an sich, sondern das Schwulsein als integrativer Bestandteil eines insgesamt exzessiven Politikstils, das ist Westerwelles Problem.
— Ulrich Reitz, Chefredaktor WAZ
„Wenn Westerwelle endgültig stürzt, dann stürzt er über Westerwelle. Über seine Inszenierung als Typus “eitler allwissender Mann”, der mit Wortgewalt oder einfach nur autoritär versucht, die eigenen Schwächen zu überdecken, anstatt sie offen einzugestehen.‟
— Barbara Steffens (B90/Grüne), NRW-Gesundheitsministerin
Reitz qualifiziert Westerwelle noch als „laut‟ und „demon­strativ Marketing-getrieben‟ ab. Letzteres ist wohl die wohlerzogene Umschreibung für „Selbstdarsteller‟ oder gar „Blender‟. Steffens, die in der Überschrift zu ihrem Beitrag von sich selbst in der dritten Person spricht, attestiert Westerwelle, dass er eitel sei.
„Die Küchenpsychologie von Frau Steffens in allen Ehren: Aber hier versucht sich eine Parteipolitikerin in der Rolle als vermeintlich objektiver Analytiker eines politischen Gegners. Dass das schief gehen muss, ist wohl klar. Ein bisschen abgeschmackter Vulgär-Feminismus (“eitler allwissender Mann”) passt dann noch perfekt ins Bild. Für eine bestimmte Klientel, die den Grünen an und für sich für den besseren Menschen hält, ist das sicher sehr eingängig. Zumal man ja weiß: Eitle Frauen gibt’s – zumal in der Politik – bekanntlich ebenso wenig wie es eitle Männer bei den Grünen niemals gab und niemals geben wird. Und die Erde ist eine Scheibe.‟
— F. S., Kommentar zu Steffens Beitrag, 12. Januar 2011
Vielleicht erinnern sich noch einige: Das Kesseltreiben der Medien setzte etwa vor einem Jahr ein, als Sigmar Gabriel, Andrea Nahles und andere in der SPD begannen, Westerwelle konsequent als „schrill‟ zu bezeichnen.

Ein schriller, lauter und eitler Selbstdarsteller? Fehlt eigentlich nur noch bunt. Als schrill, laut und bunt beschreiben die deutschen Qualitätsmedien alljährlich die Christopher Street Days, die Demonstrationen der schwul-lesbischen Bürgerrechtsbewegung. Westerwelle wurde auf eine schrille, laute, bunte Tunte an einem CSD reduziert.

Was ist hier passiert? Die SPD hat, von ihr wohlgesonnenen Medien sekundiert, Westerwelle zu einem Phänotypus dekonstruiert, der selbst bei vielen Bildungsbürgern homophobe Reflexe auslöst. Dann lehnt sie sich zurück und genießt, wie der Mob seine Vorurteile zelebriert. Anschließend kann man ja wieder mit Steuergeldern ein Anti-Diskriminierungsprogram auflegen.

Wo sind Statistiken, wenn man sie braucht. Mich würde ja interessieren, ob durch die Mediale Bearbeitung Westerwelles durch Medien und SPD schwulenfeindliche Gewalttaten in Deutschland wieder zunahmen.

Durch das Lostreten homophober Vorurteile ist die SPD in der angenehmen Lage, sich nicht mehr inhaltlich mit der FDP und Westerwelle auseinander setzen zu müssen. Ihre matra-artigen Wiederholungen, die FDP sei sozial-kalt und nur die SPD sei eine soziale Partei, verfing nicht mehr bei den Wählern. Diesen wurde langsam bewusst, dass von der viel gescholtenen Politik der FDP die Menschen in Deutschland mehr haben, wie vom Wohlfahrtsstaat à la SPD.

Andrea Nahles machte auch vor dem Lebenspartner von Westerwelle nicht halt. Dass er auf eigene Kosten seinen Mann auf eine offizielle Südamerika-Reise begleitete, wie es den Partnern aller Außenminister zusteht, das hat natürlich keinen positiven Einfluss auf die Wahrnehmung von Schwulen und Lesben in Lateinamerika, sondern soll einzig seinem Wirtschaftlichen Vorteil gedient haben.
„Zuallererst Andrea Nahles, die Generalsekretärin der "Volkspartei", die tief im 20-Prozent-Loch festhängt. Ausgerechnet sie fühlte sich berufen, Westerwelles Lebenspartner zu unterstellen, er ziehe aus der Begleitung des Außenministers auf Auslandsreisen mög­li­cherweise geschäftliche Vorteile. Ich bleibe dabei: Durch diesen in Frageform gekleideten Vorwurf, für den sie nicht den Hauch eines Beweises vor­legen konnte, hat Andrea Nahles niederste Vorurteile bedient nach dem Motto: irgendwie wird schon hängen bleiben, dass Schwule in Staatsämtern "nicht normal" sind. Eine ganz subtile Diskriminierung.
— Silvana Koch-Mehrin, MdEP
Nein, subtil ist bei den Dachlatten-Sozialisten nichts.
„Ich glaube, dass der größte Teil der Deutschen mein Privatleben respektiert. Dass es auch andere gibt, damit muss ich zurechtkommen. Vielleicht bin ich auch deshalb eine Kämpfernatur, weil ich mein Leben lang kämpfen musste. Politisch geht es im Kern ja auch nicht um mich, sondern um die FDP. Wir werden angegriffen, damit der Weg für Linksbündnisse in Deutschland frei wird.‟
— Dr. G. Westerwelle, Bundesaußenminister
Damit der Weg in Deutschland frei wird für ein Linksbündnis, für dieses hohe Ziel schürt man eben auch mal schnell schwulenfeindliche Vorurteile. Und das Linksbündnis ist ein Selbstzweck. Inhalten wollte man ja schon mit Westerwelle nicht diskutieren.

Quellen:

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Leider alles wahr, was Sie da schreiben. Einem Schwulen wird bis heute nicht verziehen, wenn er hart und autoritär auftritt. Dann wird er lächerlich gemacht. Traurig aber wahr.